Wenn ich keine Ohnmacht fühlen will, fordere ich Respekt.

Wenn ich keine Ohnmacht fuehlen will fordere ich Respekt

Wie konnte es so weit kommen, dass wir unsere Kinder mit Strafen drangsalieren, die für uns selbst schmerzhaft waren?

Wie kann es sein, dass wir denken, wir müssten sie erziehen, um sie irgendwo hinzubringen?

Warum unterstellen wir ihnen, egoistische und selbstsüchtige kleine Wesen zu sein?

Es ist sehr einfach:

Unsere Kinder erinnern uns an unseren eigenen kindlichen Schmerz.

Doch statt ihn zu fühlen, wollen wir ihn mit den gleichen Methoden abblocken oder uns austreiben wie unsere Eltern.

Wenn wir keine Ohnmacht fühlen wollen, fordern wir Respekt.

Der Film “Die Elternschule” erinnert mich daran, wie der Name “Aufwachmedizin” spontan durch einen Zufall entstanden ist. Ich habe einen Artikel über eine Schlafmedizinerin gelesen, die folgendes Rezept zum Ein- und Durchschlafen von Kindern preisgab:

“Bleiben Sie nach dem Gutenachtsagen zwar in der Nähe seines Bettchens, aber vermeiden sie Blickkontakt und damit Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich wird Ihr Kind weinen. Dann sagen Sie ein paar beruhigende Sätze, aber nicht viel mehr. Und nehmen Sie es nicht hoch. Wichtig: Sie bleiben ruhig – auch wenn das bei längerem Geschrei schwerfällt. (…) Bleiben sie konsequent langweilig.”

Wie konnte es zu dieser Problematisierung des Kindes kommen?

Wie konnte es dazu kommen, dass wir “Kinder kriegen” als Nebenbei-Geschichte betrachten, in der es nur darum geht, die Kinder möglichst schnell in unser Gefüge einzuspannen und dadurch auf ihr Leben vorzubereiten — was ja ein Widerspruch in sich ist, denn ihr Leben ist nicht unser Leben, also hilft ihnen auch unser Gefüge nicht.

Klar, weil wir selbst in einem System integriert sind, das wir nie hinterfragt haben oder aus dem wir uns nicht auszubrechen trauen.

Aber wie kommen wir auf die Idee, ein Kind wolle der Boss sein, uns dominieren und tyrannisieren? Wie kommen wir dazu, dem Kind überhaupt irgendetwas anderes zu unterstellen, als dass es gut für sich sorgen will, falls wir versagen?

Ganz einfach: Weil es uns gesagt wurde.

Diese Haltung haben wir mit der Muttermilch aufgesogen. Wir wurden so erzogen. Uns wurde gesagt, dass wir egoistische Tyrannen seien und dass das nicht gut sei. Uns wurde gesagt oder auch nur subtil vermittelt, dass wir so, wie wir sind, nicht in Ordnung seien. Wir wurden als Baustelle betrachtet, nicht als gleichwertige Wesen. Und jetzt machen wir etwas sehr Einfaches: Weil wir von uns auf andere schließen, stülpen wir uns, unsere Maßstäbe und die Welt, in der wir gefühlt leben, unseren Kindern über.

Dadurch können wir nicht erkennen, dass es einen Zustand gibt, in dem wir urteilsfrei sind. Ein Zustand, in dem die Kinder sind. Diesen Zustand würden uns unsere Kinder zeigen, wenn wir sie lassen würden. Stattdessen denken wir, wir müssten ihnen die Welt erklären.

Wenn du mir das nicht glaubst oder jetzt gerade Amok läufst, was ich mich erdreiste so einen Blödsinn zu schreiben, habe ich eine Übung für dich. Dabei geht es nicht darum, ob ich Recht habe, sondern was bei dir in deiner Körpergefühlswelt passiert.

Als so genannter Erwachsener kannst du einfach das Folgende aus deiner Perspektive lesen und dir selbst beantworten:

Ich als Mutter / Vater erinnere mich an meine Kindheit und beantworte die folgenden Fragen aus meiner Kinderperspektive.

Du musst es wirklich tun. Du musst in deine frühe Kindheit zurück. Du brauchst dich dazu nicht an Details erinnern. Es genügt, wenn du die Fragen spontan, rein intuitiv aus deinem Gefühl heraus ehrlich und aufrichtig beantwortest. Nicht mir gegenüber, sondern dir selbst gegenüber. Mich geht das alles nichts an. Es geht um dich! Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten. Nur Gefühle, die du fühlen kannst. Und es geht dabei nicht um Schuldzuweisungen oder Entschuldigungen. Es geht nur darum, ehrlich zu sein:

  • Ich hatte eine glückliche Kindheit.
  • Ich habe gefühlt, dass mich meine Eltern lieben.
  • Ich fühlte mich als Kind bei meinen Eltern willkommen.
  • Ich wurde in meiner Kindheit vollkommen wertgeschätzt, respektiert und akzeptiert.

Wenn du jetzt die Liebe fühlst, fühle sie in ihrer Tiefe.

  • Meine Eltern haben mich gebrochen.
  • Es ist möglich, dass mir meine Eltern ihre Weltsicht oktroyiert haben.
  • Meine Eltern wollten, dass ich ihre Meinung verstehe und übernehme.
  • Meine Eltern haben mir einen ordentlichen “Rucksack” an Problemen mitgegeben.

Wenn du jetzt wütend oder traurig bist, fühle es in seiner Tiefe.

Jetzt komm zurück zu dir als so genannter Erwachsener, ein großes Kind:

  • Wenn ich gestresst und wütend auf mein Kind bin, reagiere ich mit der gleichen Güte und Liebe wie meine Eltern.
  • Ich fühle mich vollkommen frei in meinen Entscheidungen und Reaktionen gegenüber meinem Kind.
  • Wenn ich gestresst und wütend auf mein Kind bin, kann ich sehen, dass ich wie meine Eltern reagiere.
  • Es besteht die Möglichkeit, dass ich meinen Stress, den ich von meinen Eltern bekommen habe, auf meine Kinder übertrage.

Wie fühlt sich das jetzt an?

Glaubst du immer noch, dass dein Kind schuld ist an deinen Gefühlen?

Oder könnte es sein, dass du bisher an der falschen Stelle gesucht hast?

Falls du für dich herausgefunden hast, dass in deiner Kindheit alles vollkommen in Ordnung war:

Herzlichen Glückwunsch!

Du kannst gar nichts falsch machen, denn dein Navigationssystem wurde nie geschrottet. Als du ein Kind warst, wurde dein sogenannter “Wille” (der keiner ist, sondern deine Lust und deine Begeisterung) nie gebrochen und du lebst mit Sicherheit jetzt schon in Harmonie und Frieden mit dir und deinen Kindern.

Falls du dich unwohl gefühlt hast, kennst du den Grund, warum du mit deinen Kindern Probleme hast und welche Probleme deine Eltern mit ihren Eltern hatten.

Es gibt in diesem Kreislauf keine Schuld. Es gibt nur Unbewusstheit.

Wenn du dir deine Kindheitsgefühle bewusst anschaust und sie in deinem Körper fühlst, wirst du dein Kind Schritt für Schritt immer besser verstehen und du wirst plötzlich in der Lage sein, dich mit deinem Kind zu verbinden. Innerlich wie äußerlich.

Dann brauchst du keine Erziehungsmethode und auch keine Elternschule mehr.

Du brauchst genauso wenig eine Schule, wie Kinder eine brauchen.

Was du brauchst und dir auch nur selbst geben kannst, ist Respekt deinen Gefühlen gegenüber.

Wenn du bereit bist, die Ohnmacht zu fühlen, vergeht auch dein Wunsch oder deine Forderung nach Respekt.

Inspiriert? Teile deine Inspiration mit der Welt …

5 Kommentare, sei der nächste!

  1. Geliebter Stefan,
    weißt du eigentlich wie krass und wertvoll zugleich das ist was du hier schreibst… oh man. Sosehr Danke für dich. Ich habe gerade nicht mehr Worte
    ❤️❤️❤️

  2. Diese Aufwachmedizin verschafft in meiner Körper gefühlswelt unendliche Erleichterung ? Ich danke Dir von Herz zu Herz – von Kind zu Kind – von Mensch zu Mensch – von Mütterlichkeit zu Mütterlichkeit – von Väterlichkeit zu Väterlichkeit – von Seele – zu Seele – von Geist zu Geist

    Alles Liebe und Genieße DICH
    ermutigend inspirierend
    Constanze Yvonne Elisa’Marie

  3. Ein wunderbarer Text. Ich frage mich einfach, wie soll ich damit umgehen, wenn der Druck von aussen kommt? Wenn ich z.B. verstehen kann, dass mein Kind in der Schule zu grossem Druck ausgesetzt ist, kann ich das Kind trotzdem nicht aus der Schule nehmen da diese obligatorisch ist. Ich kann versuchen das Kind zu unterstützen, muss aber zusehen, wie seine Lust und Begeisterung täglich beschnitten und untergraben wird und es genau zu der Marionette gemacht wir, welche die Wirtschaft erwartet.

    Wie geht Ihr damit um?

    1. Vielleicht findest Du für Dein Kind eine andere Schule, wie z.B. Waldorfschule. Das löst zwar nicht alles, da dort auch Menschen mit Programmierungen unterrichten , aber es ist ein anderes Konzept mit anderen Werten.

  4. Lieber Stefan,
    ja genau so ist es. sie sind so rein und vollkommen. Im Frieden mit sich selbst. sie erinnern mich so sehr an das Wesen das ich einmal war und das hinter der Härte und Funktion immer noch lebt. Doch wenn mein Schmerzkörper eial aktiv ist fühle ich mich nur noch wie eine leere Hülle. Ich bin zumindest so weit, dass ich sehe, dass das nicht ich bin sondern ein Schutz vor mir selbst ohne Emotionen. ich agiere wie ein programmierter Roboter alles aus. bis ich wieder erwachen und in meinen eigenen Schmerz und Scham fallen darf. Ich bin meiner Wut, meiner Trauer, meiner Scham, meiner Ohnmacht noch nie so sehr begegnet wie in den letzten Jahren und wenn ich es schaffe sie da sein zu lassen erlebe ich auch einen Frieden und eine Verbindung zu mir selbst die es ebenfalls noch nie gab. am Ende geht es einzig und allein um die Befreiung meines selbst. um zurück zu kommen in mein Licht das ich eins einmal war.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert